"Über-Macht und Würde"

Zweite erfolgreiche Veranstaltung der Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel in Oberösterreich" im Linzer U-Hof

Die engagierte Salvatorianerin Sr. Maria Schlackl nahm auch dieses Jahr den „Europäischen Tag gegen Menschenhandel“ zum Anlass, um im Linzer U-Hof eine Veranstaltung zum Thema „Über-Macht und Würde“ zu organisieren. Dabei wurde der Blick auf den florierenden Markt des Menschenhandels gerichtet, wo Menschenwürde nach wie vor mit Füßen getreten wird. Durch den Abend führte in gewohnt souveräner und launiger Weise Moderation Christine Haiden.

Sr. Maria Schlackl konnte dank ihrer Beharrlichkeit Bundespräsident Heinz Fischer für eine Grußbotschaft gewinnen, in der er sich für ihr unermüdliches Engagement gegen Menschenhandel bedankte. Rund 250 Zuhörer lauschten im Anschluss gespannt den Statements der geladenen Experten.

Anita Kienesberger, Autorin des Buches „Fucking Poor“, ging auf die Frage ein, ob man Sexarbeit überhaupt als Arbeit bezeichnen kann. Sie erläuterte das „Schwedische Modell“, das eine härtere Bestrafung des Freiers und Straffreiheit für Prostituierte vorsieht. Seit 1999 hat sich infolge dessen der Straßenstrich in Schweden halbiert. Kritisch beleuchtete Anita Kienesberger die Liberalisierung des Prostitutionsgesetzes in Deutschland, das seit 2002 in Kraft ist. Es sollte Transparenz ins Rotlichtmilieu bringen und Sexarbeiterinnen vor Ausbeutung schützen. In Deutschland ist der Markt trotzdem 60 Mal größer als in Schweden und mehrere Studien legen unabhängig voneinander nahe, dass das Gesetz den Sexhandel fördert. Die Autorin berichtete, dass täglich 1,2 Millionen deutsche Männer zu einer Prostituierten gehen und damit jährlich 14 Milliarden Euro umgesetzt werden. „Es gibt die ‚Ware Frau‘ zum Diskont-Preis. Manche von ihnen haben 16 Stunden am Tag zwischen 30 und 40 Freier“, so Kienesberger. „ Die Umbenennung von Prostituierter zu Sexarbeiterin hat nun auch noch dazu geführt, dass die Frauen mit vermeintlichen Therapeutinnen-Fähigkeiten ausgestattet wurden und damit keine Opfer mehr von Ausbeutung sein sollen.“ Das Sexdienstleistungsgesetz des Land Oberösterreich, das seit 2012 in Kraft ist, sei dem deutschen Prostitutionsgesetz in vielen Bereichen leider sehr ähnlich, merkte die Buchautorin an.

Manfred Bauer von der Landespolizeidirektion Linz erläuterte im Anschluss die Dimensionen des Sexhandels in Oberösterreich. Es gäbe 100 bis 120 Rotlichtbetriebe unter polizeilicher Kontrolle und rund 1.000 gemeldete Prostituierte, so Bauer. Er beobachte in den letzten Jahren eine Veränderung in der Szene. Immer mehr Bordelle werden zu Laufhäusern umfunktioniert wo die Sexarbeiterinnen Miete für die Nutzung eines Zimmers bezahlen und praktisch wie Selbstständige arbeiten. Seit der Ostöffnung kommen die meisten Prostituierten aus Ungarn, Rumänien, Bulgarien, der Slowakei und Tschechien. Nur rund 10 Prozent von ihnen sind Österreicherinnen. Auffallend sei, so Bauer, dass die meisten Frauen aus sehr ärmlichen Verhältnissen kommen, ein soziales Umfeld fehlt und sie schlechte Schulbildung besitzen. Bauer outete sich als Befürworter des oö. Sexdienstleistungsgesetzes: „Es bringt absolute Transparenz in Rotlichtbetriebe und schützt Prostituierte.“

Arnold Mettnitzer, Psychotherapeut und Theologe ging in seinem teils philosophischem Statement auf die Unterschiede zwischen Sehnsüchten und Bedürfnissen ein. Wir alle tragen von Geburt an die „gründliche“ Sehnsucht ins uns, von anderen geschätzt und angenommen zu werden so wie wir sind, erläuterte der Psychotherapeut. Wenn dieses Bedürfnis nicht gestillt wird leiden wir Not. „Wer nicht bekommt was er braucht, nimmt sich das was er kriegen kann“, so Mettnitzer, „und wenn unsere Bedürfnisse nun durch Gier, Neid und Habgier befriedigt werden, macht uns das abhängig und wir wollen immer mehr, von Macht, von Drogen, von Sex.“

Männerforscher Erwin Lehner versuchte abschließend die Frage zu beantworten, warum Männer Sex kaufen. Die Hauptmotivation für viele sei, dass man bei einer Prostituierten Sex ohne Beziehung bekommt, erklärte der Männerforscher. Der zweite Grund sei ein soziales Bedürfnis: Männer fühlten sich schlichtweg toll behandelt. In seinem Statement erläuterte Lehner auch, welche Männer zu Prostituierten gehen: Tendenziell ist der Sexkäufer jung, unverheiratet und hat keinen Pflichtschulabschluss. Nur 3 Prozent der Sexkäufer haben persönliche Aufklärung erlebt. „Die pflegerische Beziehung zu einem Kind, es zu füttern, zu baden, ihm nahe zu sein, reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass es später Sex kaufen wird“, so Lehners ermutigende Worte.

Nach der Fragerunde im Publikum war klar, dass vieles weiterhin offen bleibt und diskutiert werden muss. Sr. Maria Schlackl hat mit der Veranstaltung jedoch ihr Ziel erreicht, unterschiedlichste Menschen und Initiativen zusammenzubringen die sich gegen Menschenhandel engagieren. Eine Veranstaltung, wo sie sich austauschen und vernetzen konnten. „Die Würde des Menschen ist unverlierbar, aber verletzbar.“ Dieser Satz von Arnold Mettnitzer sollte uns Mut machen uns für jene Menschen – besonders Frauen - einzusetzen, die auf Hilfe von außen angewiesen sind, um ihre Würde zurück zu gewinnen.  

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